Die Lämmer und ihre Schlächter

Anekdote

Peter Lemar

Weil die Lämmer nicht auf ihre innere Stimme hörten, sondern nur auf ihren Verstand, werden sie weiter den Leitlämmern vertrauen. Sie werden den Elitelämmern glauben und sie für ihre Heilsbringer halten, die nur das Beste wollen: ihr Geld, ihre Energie und ihre Seelen! Sie werden in der neuen Ordnung nichts vermissen. Denn niemand vermisst etwas, was er nie besaß. Es wird eine Welt am Draht sein, in der alle das Gefühl hätten, so frei wie nie zu sein. Eine Welt der Technik, in der es nur noch Mitläufer gäbe, denen die gebratenen Tauben in den Mund fliegen. Mag sein, dass es das Schlaraffenland ist, von dem schon immer erzählt wird.

978-3-347-23870-1  |   60 Seiten
März 2021  |   tredition
€ 14,99
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Leseprobe
Am schlimmsten war es für jene, die wussten, was die Stunde geschlagen hatte. Schon 80 Jahre zuvor waren die Lämmer mit wehenden Fahnen in den Krieg gezogen und niemand hatte das verhindern können. Diesmal zogen sie in den Krieg gegen den Virus und die Begeisterung war die gleiche. Nichtahnend, dass sie von ihren Schlächtern zur Schlachtbank geführt wurden. Ja, sie strahlten sie geradezu an. Mit einem hingebungsvollen Blick, der sagte, „Lieber Schlächter, bitte schlachte mich! Ich werd es dir ein Leben lang danken.“ Vielleicht auch in dem Glauben, danach würde alles wieder gut werden und sie könnten ihr belämmertes Leben weiterführen. Doch dem war nicht so.
Die Lämmer starben wie die Fliegen und schon nach ein paar Jahren lebte nur noch die Hälfte von ihnen. Alles ging ganz still über die Bühne und irgendwann waren es nur noch fünfhundert Millionen. Sie konnten keine Kinder mehr bekommen und ihre Herzen waren kalt.

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